Schlechte Beindurchblutung
Sollten Sie beim Spazierengehen oder Wandern nach einer gewissen Wegstrecke Schmerzen in der Waden- und Oberschenkelmuskulatur bekommen, dann kann es sich um Symptome einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, abgekürzt PAVK, handeln. Oft können sich Schmerzen schon nach 50 bis 100 Meter einstellen. Und das hat nichts mit einem Muskelkater zu tun. Diese Beschwerden treten, zumindest am Beginn der Krankheit, typischerweise nur bei Belastung auf und verschwinden in Ruhe sehr schnell wieder. Damit zwingen sie die Betroffenen zum wiederholten Verweilen beim Gehen, ähnlich einem Schaufensterbummel. Dadurch hat sich in der Umgangssprache der Begriff „Schaufensterkrankheit“ festgesetzt. Hinter diesem verharmlosenden Begriff steckt jedoch eine ernste Durchblutungsstörung vor allem der Beine.
In Mitteleuropa ist ab dem 55. Lebensjahr jeder Zehnte davon betroffen, bei den über 70-jährigen schon eine von vier Personen. Für Österreich schwanken die angegebenen Zahlen zwischen 300.000 und 400.000 Erkrankten.
Auch wenn am Beginn der Krankheit anfänglich noch wenige Beschwerden vorhanden sind, so handelt es sich dennoch um ein sehr ernstes Krankheitsbild, das bei Fortschreiten auch heftige Beschwerden in Ruhe macht. Im Extremfall kann diese Durchblutungsstörung zu Gewebeschäden wie offene Beine, Unterschenkelgeschwüre oder abgestorbenen Zehen bis hin zum Verlust der gesamten Extremität führen. Gleichzeitig sind oft auch die Arterien des Herzens und des Gehirns mitbetroffen, was wiederum zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führen kann. Denn die Ursachen für die Gefäßverkalkungen sind im ganzen Körper gleich.
Wie entsteht eine PAVK?
Unsere Blutgefäße sind, vereinfacht ausgedrückt, Schläuche (ähnlich einem Gartenschlauch), wobei die Wand der Gefäße aus vielen verschiedenen Schichten zusammengesetzt ist. Die Gefäßeinengung beginnt zunächst völlig unbemerkt durch Fetteinlagerung in der innersten Schicht der Gefäßwand der Arterien. Im weiteren Verlauf kommt es zum Absterben von Zellen in dieser Innenschicht. Stattdessen wird minderwertiges Bindegewebe und Kalk eingelagert. Das Gefäß wird verdickt und hart, die natürliche Elastizität geht verloren, der Gefäßdurchmesser wird ständig kleiner. Letztendlich führt dieser Prozess – Artherosklerose oder umgangssprachlich „Verkalkung“ genannt – zu einer verminderten Durchblutung und damit zu einer zu geringen Sauerstoffzufuhr zu den Beinen oder anderen Organen.
Die Stadien der PAVK
I: Keine Symptome, Diagnose jedoch schon möglich
IIa: Beschwerden bei Gehstrecke von mehr als 200 Metern
IIb: Beschwerden bei Gehstrecke von weniger als 200 Metern
III: Ruheschmerz
IV: Untergang von Gewebe (offene Stellen, Geschwüre)
Am Anfang der Erkrankung treten die Symptome nur bei starkem Sauerstoffbedarf des Gewebes bei Arbeit, z. B. beim Bergaufgehen, auf. Hier ist die notwendige hohe Zufuhr von Blut und somit Sauerstoff durch die engen Arterien eingeschränkt. Der klassischerweise eintretende Wadenschmerz ist quasi ein Hilfeschrei der Muskulatur. Man muss stehen bleiben. Bei der damit erzwungenen Pause sinkt der Bedarf nach Energie und Sauerstoff. Die Durchblutung ist jetzt trotz der Engstellen ausreichend, es können Sauerstoff und Energieträger zu – und Stoffwechselendprodukte abgeführt werden, der Schmerz verschwindet. Somit kann der Weg fortgesetzt werden, aber nach einer gewissen Zeit beginnen die Beschwerden langsam von neuem.
Im späteren Verlauf der Krankheit werden die Gefäße zunehmend enger. Reicht die Durchblutung nicht einmal mehr für den Sauerstoffbedarf in Ruhe, treten auch hier quälende Schmerzen auf. Bei weiterer Verschlimmerung kommt es schließlich durch Gewebeuntergang zu Hautdefekten wie den „offenen Beinen“ sowie schlussendlich zum Absterben von einzelnen Zehen oder des ganzen Beins. Eine durch die mangelnde Blutzufuhr bedingte Abwehrschwäche ermöglicht darüber hinaus Bakterien den Befall von vorgeschädigtem und offen liegendem Gewebe. Von hier aus drohen möglicherweise lebensgefährliche Infektionen. Kommt es soweit, bleibt als letzter Weg die operative Entfernung der betroffenen Strukturen.
Doch soweit sollte es bei regelmäßigen Kontrollen der Beindurchblutung und dank hervorragender Therapiemöglichkeiten erst gar nicht kommen.
Wer ist gefährdet?
Zu einem gewissen Anteil ist die Artherosklerose genetisch vorbestimmt, zahlreiche Faktoren können das Risiko jedoch potenzieren:- Rauchen: der Hauptrisikofaktor schlechthin. Nikotin bewirkt nicht nur eine Engerstellung der Gefäße sondern wirkt auch ungünstig auf den Stoffwechsel. Eine Entwöhnung ist jederzeit sinnvoll, da nach dem Nikotinverzicht das Risiko für das Auftreten einer PAVK allmählich wieder auf das Niveau eines Nichtrauchers sinkt.
- Diabetes mellitus: hohe Blutzuckerwerte und wiederholte Entgleisungen des Zuckerstoffwechsels fördern die Artherosklerose. Ein Diabetiker hat ein etwa vierfach höheres Erkrankungsrisiko, weshalb ein korrektes Einstellen des Zuckerspiegels äußerst wichtig ist.
- Erhöhte Cholesterin- und Triglyzeridwerte: erhöhte Blutfette begünstigen ebenfalls die Gefäßverkalkung. Wichtig ist jedoch nicht nur die absolute Höhe des Gesamtcholesterins sondern vor allem das Verhältnis von HDL („gutes“) und LDL („schlechtes Cholesterin“). Bis zu einem gewissen Wert sind beide Parameter über korrekte Ernährung (mediterrane Kost, Meiden von tierischen Fetten, viel Obst und Gemüse) sowie Bewegung und Sport zu beeinflussen. Mehr als die Hälfte des Cholesterins wird jedoch von unserer Nahrung unabhängig im Körper selbst produziert, weshalb bei stark erhöhten Blutfetten auch die Einnahme eines Cholesterinsenkers ratsam erscheint.
- Bluthochdruck: Die mechanische Belastung durch ständig erhöhten Blutdruck führt zur Wandverdickung und -versteifung und somit zu einer deutlich schlechteren Durchblutung. Eine korrekte Einstellung des Blutdrucks ist daher unumgänglich.
Die Diagnose der PAVK
Zunächst wird im ärztlichen Gespräch nach typischen Symptomen gefragt. Hierzu gehören die Fuß- und Wadenschmerzen, die anfänglich nur bei Belastung auftreten. Vor allem beim Bergauf- oder schneller Gehen viel früher als beim Gehen in der Ebene, um dann beim Rasten schnell wieder zu verschwinden. Auch kalte Füße, Hautveränderungen an den Beinen, Ekzeme, Jucken und kleine Wunden oder offene Stellen können ihre Ursache in einer PAVK haben. Im ärztlichen Gespräch muss unbedingt auch nach den oben erwähnten Risikofaktoren gefragt werden. Eine gründliche Analyse von Blut und Harn gibt wertvolle Aufschlüsse und wird routinemäßig durchgeführt.
Der Arzt sollte auch immer mit seinen Fingern die Fußpulse des Patienten aufsuchen und tasten. Ein Fehlen oder eine deutliche Schwäche der Fußpulse erfordert eine weitere Abklärung.
Bei der Dopplerdruckmessung wird mittels eines Ultraschallkopfes und einer Blutdruckmanschette an den Beinen der Blutdruck gemessen. Hiermit kann man in Verbindung mit dem am Arm gemessenen Blutdruck und dem Verhältnis beider Werte den Dopplerindex berechnen, der Rückschlüsse auf die Beschaffenheit der Beinarterien erlaubt. Diese einfache und schmerzlose Methode gibt schon nach wenigen Minuten gute Aufschlüsse über die Beindurchblutung, kann aber genauso auch an den Armen angewandt werden. Sind die Resultate schlecht, lassen sich mittels spezieller Techniken wie der Becken-Beinangiographie, der Farbduplex-Sonographie sowie der Magnetresonanz-Angiographie noch genauere Ergebnisse mit genauer Lokalisation der Engstelle gewinnen.
Gleichzeitig sollte Ihr Internist auch die Durchblutung der Halsschlagadern mittels Ultraschall sowie der Herzkranzgefäße mittels Belastungs-EKG (Ergometrie) überprüfen, da Durchblutungsstörungen gerne an mehreren Stellen im Körper auftreten. Raucher müssen sich einer Lungenfunktionsprüfung unterziehen.
So wird behandelt
Sind erst einmal eine oder mehrere Gefäßengstellen entdeckt, stehen verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Wahl. Da gibt es einerseits hervorragende durchblutungsfördernde Medikamente, die vor allem als Infusion verabreicht werden. Nicht nur die verengten Gefäße selbst, sondern alle Arterien der Beine werden durch diese Behandlung erweitert. Eine intakte Durchblutung lässt sich in vielen Fällen wieder herstellen, wobei die Therapie nach einer gewissen Zeit manchmal wiederholt werden muss.
Zusätzlich empfiehlt sich zur Behandlung ein Thrombozyten-Funktionshemmer. Das sind Medikamente, die die Tätigkeit der Blutplättchen etwas hemmen und dadurch das Blut geschmeidiger machen. Ein Verstopfen der Arterien durch Blutgerinnsel wird somit verhindert.
Gelingt es alleine durch Medikamente nicht eine adäquate Beindurchblutung herzustellen, bietet sich von operativer Seite die Ballondilatation an: hier wird mit einem Katheter, der in das verengte Gefäß eingebracht wird, bis zur Engstelle vorgegangen und diese dann mit Hilfe eines am Katheterende sitzenden aufpumpbaren Ballons aufgedehnt. Zur weiteren Offenhaltung des Gefäßes kann ein Stent, eine Art stützendes Drahtgeflecht, in die Arterie eingesetzt werden.
Ist die zu behandelnde verengte Gefäßstrecke für die Ballondilatation zu lang, kommt ein Bypass in Frage. Das ist ein zusätzliches, künstlich angelegtes Gefäß, das vor Beginn der Engstelle beginnt und danach wieder ins Ursprungsgefäß mündet. Damit wird die Engstelle einfach überbrückt.
Aber besser als operieren ist natürlich vorbeugen!Wie kann ich meine Durchblutung verbessern?
Prinzipiell müssen zunächst sämtliche Risikofaktoren minimiert werden. Eine Nikotinentwöhnung bei Rauchern ist Pflicht. Blutdruck und Blutzucker werden beim Internisten optimal eingestellt. Von Seiten der Ernährung empfiehlt sich eine fettarme, vitaminreiche Kost mit viel Gemüse, Salaten und Obst. Viele in diesen Nahrungsmitteln enthaltenen Vitamine und Spurenelemente besitzen eine entzündungshemmende und durchblutungsfördernde Wirkung. Tierische Fette sollten Sie meiden, weil diese unseren Cholesterinspiegel erhöhen und die Verkalkungen vorantreiben.
Dagegen wirken sich Pflanzenöle (mit Ausnahme von Kokosfett und Palmkernöl) sowie die in allen Fischen enthalten Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren auf Cholesterin, Blutdruck und Durchblutung sehr günstig aus. Essen Sie daher mehr Fisch und verwenden Sie beim Kochen mehr Pflanzenöle.
Bei übergewichtigen Patienten wird eine Gewichtsreduktion angestrebt, womit einerseits Blutzucker, Blutdruck und Blutfette gesenkt, andererseits die Lust an der Bewegung erhöht wird.
Der beste Schutz gegen die PAVK ist eben eine regelmäßige Bewegung, da hierbei alle Gefäße der Beine gestärkt und besser durchblutet werden. Wichtig ist dabei die Regelmäßigkeit des Trainings, wobei sich Spazieren gehen, Rad fahren, Treppen steigen oder Zehenstandübungen anbieten. Kurz bevor Schmerzen auftreten, die die Lust an der Übung nehmen, sollten Sie eine Pause machen. Unter konsequenter Anwendung kann somit eine deutliche Erhöhung der Gehstrecke erreicht werden. Optimal ist das Verwenden einer Pulsuhr bei Ihrem Training, um sich ständig im Kardio-Bereich zu bewegen. Ein Fahrrad- oder Laufband-Belastungstest gibt Ihnen Aufschluss über Ihren optimalen Trainingspuls.
Die PAVK ist in Österreich eine häufige Krankheit mit oft schwerwiegenden Folgen.
Mit einer konsequenten Änderung unseres Lebensstils (Rauchstopp, Ernährung, Bewegung) und einer regelmäßigen ärztlichen Betreuung (Frühdiagnose, Blutdruck- und Stoffwechseleinstellung, medikamentöse und operative Therapie) können Sie diese Erkrankung jedoch vorbeugen oder eine schon vorhandene schlechte Durchblutung wieder verbessern.