Allergie aufs Essen
Darmbeschwerden und Verdauungsprobleme werden in den letzten Jahren wesentlich häufiger beobachtet. Neben unregelmäßiger Ernährung, Bewegungsmangel und Stress spielen Unverträglichkeiten von bestimmten Speisen als Ursache eine große Rolle. Obwohl fast ein Viertel aller Menschen offensichtlich an einer Nahrungsmittelallergie leidet, konnte in Studien tatsächlich nur bei ein bis zwei Prozent der Bevölkerung eine echte Allergie auf Lebensmittel nachgewiesen werden. Wie kommt diese Diskrepanz zustande?
Und, haben allergische Reaktionen in letzter Zeit tatsächlich zugenommen? Dank verbesserter Diagnosemöglichkeiten und der Erforschung unseres Immunsystems können wir diesen Fragen auf den Grund gehen.
Störung des Immunsystems
Unter Allergie wird generell eine spezifische Überempfindlichkeit unseres Organismus gegen körperfremde Stoffe verstanden. Der Körper bildet gegen bestimmte Substanzen (Antigene) spezifische Antikörper. Bei der Abwehr von Infekten ist das eine sehr sinnvolle Maßnahme und hält uns gesund. Reagiert unser Immunsystem aber auf nicht bedrohliche Substanzen wie Pollen, Gräser oder Speisen, kommt es zu einer Überreaktion und Allergie.
Eine Lebensmittelallergie ist also eine Reaktion des Immunsystems auf Substanzen in unserer Nahrung. Dafür muss eine genetisch bedingte Veranlagung vorhanden sein, die man eben bei ein bis zwei Prozent der Bevölkerung findet. Meist reichen schon geringste Mengen aus um Symptome an Haut, Mundschleimhaut oder im Atemtrakt hervorzurufen. Die Folgen reichen von Hautausschlägen, Juckreiz, offenen Mundwinkeln, Kribbeln der Mundschleimhaut bis hin zu deutlichen Verschwellungen im Gesichtsbereich, allergischem Schnupfen oder Auslösung eines Asthma-Anfalles. Bei dramatischen Verläufen kann es zu einem tödlichen Schock kommen. So z. B. bei Erdnussallergien, an denen in den USA jährlich mehr als hundert Menschen sterben.
Vielzahl von Allergenen
Unsere Nahrung enthält eine Vielzahl von potentiell allergenen Stoffen, bei denen es sich meist um Eiweiße handelt. Prinzipiell kann jeder Inhaltsstoff in unserer Nahrung eine Allergie auslösen. Doch ist die allergene Potenz von verschiedenen Lebensmitteln unterschiedlich. Als potentiell aggressive Allergene, die bedrohliche Sofortreaktionen auslösen können, gelten Fisch, Schalen- und Krustentiere, Hühnerei, Kuhmilch, Innerein, Sellerie, Fenchel, Karotten, Hülsenfrüchte, Äpfel, Kirschen, Soja, Nüsse und Samen.
Nachdem es aber tausende unterschiedliche Eiweißverbindungen gibt, ist es oft äußerst schwierig, das allergieauslösende Protein herauszufinden. Eine weitere Erschwernis für die Forschung ergibt sich daraus, dass unsere Nahrung aus einer Vielzahl von Eiweißverbindungen zusammengesetzt ist. Damit stellt sich nach dem Genuss eines allergieauslösenden Lebensmittels die Frage, was denn nun die Reaktion ausgelöst hat. Die enormen Fortschritte in der Forschung konnten in den letzten Jahren immer mehr allergener Eiweiße analysieren.
Versteckte Allergene
Alle Lebensmittel unterliegen einer Kennzeichnungspflicht. Trotzdem sind gerade viele Fertigprodukte nur mangelhaft gekennzeichnet. Aromazubereitungen sind oft unvollständig angegeben. Kleinste Beimengungen von diversen Substanzen werden häufig überhaupt nicht angeführt (z. B. Erdnuss-Splitter in Schokolade). Aber selbst schon Reinigungsmittel im Produktionsbetrieb können im schlimmsten Fall eine Allergie auslösen. Aus diesen Gründen wird zunehmend eine lückenlose Registrierung aller Bestandteile eines Lebensmittels gefordert, da eben schon kleinste Mengen eines Inhaltsstoffes eine allergische Reaktion hervorrufen können.
Je naturbelassener ein Lebensmittel ist, umso größer ist in der Regel seine allergene Aggressivität. Durch Kochen oder andere Verarbeitungsprozesse verlieren viele Lebensmittel ihre allergene Potenz. Dieses gilt besonders für zahlreiche Obst-, Gemüse- und Getreidesorten. Vielfach führt erst das Zusammentreffen von verschiedenen Allergenen zu einer Reaktion, während die einzelnen Substanzen gut toleriert werden.
Häufig wird beobachtet, dass Personen, die unter einer Pollen- oder Gräserallergie leiden, auch eine Allergie gegen Stein- und Kernobst oder gegen Nüsse bekommen. Dies wird als Kreuzreaktion bezeichnet. Besonders gut untersucht sind die recht häufigen Kreuzreaktionen zwischen Allergenen in Birkenpollen und solchen in Haselnuss, Steinobst, Apfel, Sellerie und Karotten.
Allergie durch Gentechnik?
Vielfach wird befürchtet, dass durch die Übertragung von Genen auch allergieauslösende Proteine übertragen werden. Das Risiko scheint extrem klein zu sein. Denn erstens wird die Struktur der Eiweiße genau analysiert und auf ihre allergene Potenz getestet. Zweitens werden alle bisher durch Gentechnik übertragenen Eiweiße durch die Magensäure gespalten. Ein Eiweiß kann aber nur dann eine Allergie auslösen, wenn es intakt den sauren Magen passieren kann und danach mit der Schleimhaut des Dünndarms in Kontakt kommt. Denn nur dort kommt es in Berührung mit dem Immunsystem.
Auf der anderen Seite bietet die Gentechnik natürlich auch die Möglichkeit bestimmte Eiweißverbindungen so zu verändern, dass sie keine Allergie mehr auslösen können. Eine endgültige Beurteilung der Gefährlichkeit der Gentechnik in Hinblick auf Allergieauslösung ist zum derzeitigen Standpunkt noch nicht möglich.
Allergieaustestung
Mit Hilfe verschiedener Tests können mögliche Auslöser bestimmt werden:- Prick-Test: ein Tropfen des möglichen Allergens wird auf die Unterarmbeuge gegeben und mit einer speziellen Nadel in die obere Hautschicht eingeritzt. Reagiert die Haut mit Rötung und Schwellung, gilt dies als deutlicher Hinweis, daß der getestete Stoff allergieauslösend ist.
- Epikutan-Test: ein mit einer bestimmten Substanz getränktes Pflaster wird für ein bis zwei Tage auf die Haut geklebt. Bei einer Allergie reagiert der Patient mit Rötung und Bläschenbildung.
- Antikörperbestimmung: im Blut kann die Konzentration von Antikörpern auf bestimmte Allergene bestimmt werden (IgE Spiegel). Denn nur bei einer echten Allergie kommt es zur Antikörperbildung.
Im weiteren Sinn kann danach bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie eine „Eliminationsdiät“ durchgeführt werden. Das bedeutet, dass das vermutete Allergen vom Speiseplan einfach gestrichen wird. „Provokationstest“ mittels Genuss des vermuteten Allergens sollten nur im Rahmen eines stationären Aufenthalts gemacht werden. Die Gefahr der Auslösung eines allergischen Schocks ist immer gegeben.
Die Diagnostik von Allergien ist in der Regel aber sehr schwierig. Nur wenn die Ergebnisse der Allergietests mit dem Beschwerdebild eindeutig übereinstimmen, gilt die Allergie als gesichert. In diesem Fall ist der Genuss des Allergens streng verboten.
Nahrungsmittelintoleranz
Auch darunter versteht man eine Unverträglichkeit von Speisen, die aber keinen allergischen Hintergrund hat. Meist liegt dabei ein Defekt im Enzymsystem unseres Verdauungstraktes vor, sodass bestimmte Nahrungsmittel nicht korrekt abgebaut und aufgespalten werden können. Essen wir solche Nahrung, wird sie nicht verdaut und bleibt im Darm. Millionen von Bakterien und Pilzen fallen dann über diese Substanzen her und verursachen massive Beschwerden.
Spezifische Nahrungsmittelintoleranzen
Auf konkrete Speisen setzt immer eine Unverträglichkeit ein. Ein sehr bekanntes Beispiel ist die Lactose (Laktose)-Intoleranz. Durch einen Mangel des Enzyms Lactase im Darm kann Milchzucker nicht verarbeitet werden. Bei Genuss von Milch oder anderen milchzuckerhältigen Lebensmitteln wie Käse, Joghurt und Sauermilchprodukten treten Durchfälle, Übelkeit, Blähungen, Darmkrämpfe und Erbrechen auf.
Bei der ebenso häufigen Fructose-Intoleranz wird Fruchtzucker nicht aufgespalten. Nach dem Verzehr von Obst, Marmelade und Kompott kommt es zu massiven Beschwerden.
Bei der Zöliakie liegt eine lebenslange Unverträglichkeit des Klebereiweißes Gluten vor, welches in Getreidesorten wie Weizen, Roggen, Gerste, Dinkel und Grünkern enthalten ist. Kommt der Dünndarm eines Zöliakiepatienten mit Gluten in Berührung, wird durch eine Entzündungsreaktion die Darmwand regelrecht abgebaut. Wieder treten Durchfälle, Bauchschmerzen, Übelkeit und Fettstühle auf. Da diese Erkrankung meist schon im Kindesalter in Erscheinung tritt, werden häufig Entwicklungs- und Wachstumsstörungen gesehen. Nur durch eine lebenslange Diät mit Verzicht auf alle glutenhältigen Lebensmittel kann man diese Erkrankung stoppen.
Im Gegensatz zu Allergien lassen sich bei spezifischen Nahrungsmittel-intoleranzen so gut wie nie positive Reaktionen bei Haut- und Labortests feststellen, eine Schockreaktion ist nie zu finden. Dies gilt auch für die anschließend erwähnten unspezifischen Nahrungsmittelintoleranzen. Wer von einer spezifischen Nahrungsmittelintoleranz betroffen ist, muß den auslösenden Nährstoff lebenslang meiden. Das ist die einzige therapeutische Möglichkeit.
Unspezifische Nahrungsmittelintoleranzen
Hierunter versteht man das Auftreten von Beschwerden nach dem Genuss sogenannter schwer verdaulicher Nahrungsmittel. Als Ursache werden Dehnung und Irritation der Darmwand durch die bei der bakteriellen Zersetzung von Nahrungsbestandteilen entstehenden Gase und Säuren angegeben. Entsprechend klagen die Patienten über Völlegefühl, Sodbrennen und Erbrechen, Blähungen und Durchfälle. Häufig treten die Symptome nach dem Genuss von zellulose- und fettreichen Speisen auf. Rohkost, Zwiebeln und Knoblauch, diverse Gewürze und Kräuter aber auch Frittiertes, Paniertes und fette Mehlspeisen sind gefährlich. Im Unterschied zu den spezifischen Intoleranzen liegt hier kein spezieller Enzymmangel, sondern eher eine allgemeine Verdauungsschwäche vor.
Neben den organisch bedingten Ursachen nimmt man auch an, daß Vorurteile gegen Nahrungsmittel, Emotionen und übertriebene Selbstbeobachtung häufig am Entstehen von Unverträglichkeiten mitwirken. Die Häufigkeit dieser Intoleranzen insgesamt liegt bei 5 Prozent in der Gesamtbevölkerung.
Therapie
Selbstbeobachtung, Austestung und Meiden der unverträglichen Speisen sind die einzigen effektiven Maßnahmen. Sind die Auslöser der Symptome nicht genau ausfindig zu machen, ist eine leichte Vollwertkost angesagt.
Die leichte Vollkost unterscheidet sich von der normalen Kost dadurch, dass all jene Nahrungsmittel weggelassen werden, die erfahrungsgemäß bei mehr als 5 Prozent der Bevölkerung Unverträglichkeiten hervorrufen. Der Kalorienbedarf richtet sich dabei nach den allgemeinen Empfehlungen. Die Nährstoffrelation wird zugunsten der Kohlenhydrate (60 %) mit einer Verminderung von Eiweiß (12 %) und Fett (30 %) verändert.
Die Ballaststoffzufuhr sollte mindestens 15 Gramm pro Tag erreichen. Da Obst und Vollkornprodukte oft nicht so gut verträglich sind, sollte man auf schonend zubereitetes Gemüse umsteigen. Kurz im Wok anrösten oder im Druckkochtopf garen.
Bei allen Arten einer Nahrungsmittelunverträglichkeit ist zuerst einmal die Selbstbeobachtung entscheidend. Durch Genuss oder Weglassen des vermuteten Auslösers und daraus entstehender Beschwerden können dem Arzt wertvolle Hinweise geliefert werden. Dann wird getestet.