Dr. med. Thomas Schwingenschlögl
Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, Ernährungsmediziner
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Osteoporose

Die Osteoporose ist ein in den letzten Jahren durch die Medien zunehmend bekanntes Schlagwort geworden. Institute zur Knochendichtemessung sind aus dem Boden geschossen. Und nur allzu häufig werden Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule mit Osteoporose gleichgesetzt. Doch so einfach ist die Sachlage lange nicht.

Entscheidend ist bei Verdacht auf Osteoporose eine rasche und frühzeitige Abklärung. Nur so kann man sich über das Vorliegen einer verminderten Knochendichte Klarheit beschaffen. Auf der anderen Seite steht heutzutage eine Reihe von sehr wirkungsvollen medikamentösen Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, die das Fortschreiten der Erkrankung und damit das gefürchtete Eintreten von Knochenbrüchen verhindern können. Je früher eine Therapie begonnen wird, desto leichter läßt sich die Knochendichte stabilisieren. Einmal eingetretene Frakturen können nur mehr operativ repariert werden.

Was versteht man unter Osteoporose?

Die Osteoporose ist eine Skeletterkrankung, die durch eine niedrige Knochenmasse und durch eine Störung der Mikroarchitektur des Knochengewebes mit daraus resultierender erhöhter Knochenbrüchigkeit und steigendem Frakturrisiko charakterisiert ist. Soweit die medizinische Definition. Vereinfacht ausgedrückt soll das heißen: Die Knochen verlieren an Härte. So kann oft schon ein harmloser Sturz zu einem Knochenbruch führen. Osteoporose betrifft das gesamte Skelett. Schenkelhals, Wirbelsäule und Unterarmknochen sind besonders gefährdet.

Auch Männer leiden unter Osteoporose

Zwölf Prozent der Mitteleuropäer weisen eine gegenüber der Norm verminderte Knochenmasse auf. Die Tendenz ist in den letzten Jahren stark steigend. Frauen sind dabei ca. 10 mal so häufig betroffen wie Männer. Besonders gefährdet sind Frauen im Wechsel, weil durch den Wegfall der schützenden weiblichen Hormone ein rascher Knochenabbau einsetzt.

Grundsätzlich ist unser Knochen ein lebendes Gewebe, das ständig auf- und abgebaut wird. In der Kindheit und Jugend wird dabei im Wachstum weitaus mehr Knochen aufgebaut als abgebaut. Um das 30. Lebensjahr herum erreicht unser Knochen seine maximale Knochenmasse und Festigkeit. Danach geht es leider bergab, wobei ein Knochendichteverlust von 1 bis 2 Prozent pro Jahr durchaus normal ist.
Je mehr Knochenmasse Sie also bis zum 30. Lebensjahr insgesamt aufbauen, desto länger können Sie im Alter davon zehren. Sport und Bewegung, kalzium- und Vitamin D-reiche Ernährung stärken während des ganzen Lebens Ihren Knochen.

Wer ist besonders gefährdet?

Je mehr der folgenden Risikofaktoren bei Ihnen vorhanden sind, desto höher ist die Gefahr für das Entstehen einer Osteoporose:
  • Osteoporose in der Familie (besonders die Mutter)
  • Unverträglichkeit von Milch oder Milchprodukten, vor allem in der Jugend (durch den damit verbundenen Kalziummangel kommt es von vornherein zu einer verminderten Knochendichte)
  • Verminderte sportliche Aktivität, vor allem in der Jugend
  • Längere Phasen von Bewegungsarmut (Gips oder Krankheiten)
  • Starker Gewichtsverlust und sehr niedriges Körpergewicht (Magersucht)
  • Zigaretten- und Alkoholkonsum: Beide Drogen schädigen direkt die Knochenzellen
  • Mangelnde Sonnenbestrahlung bei sehr hellem Hauttyp (durch UV-Licht wird in der Haut Vitamin D gebildet, welches die Aufnahme von Kalzium vom Darm in den Knochen fördert)
  • Spätes Einsetzen der ersten Regelblutung
  • Höhergradige Zyklusstörungen oder Aussetzen der Menstruation
  • Frühes Alter bei letzter Regelblutung (< 47 Jahre)
  • Operative Entfernung von Gebärmutter und/oder Eierstöcken
  • Gleichzeitiges Vorliegen von anderen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, chronische Darmerkrankungen, Gelenksentzündungen, Schilddrüsenerkrankungen, Nierenerkrankungen oder Asthma bronchiale
  • Einnahme folgender Medikamente über eine längere Zeitspanne: Cortison, Antiepileptika, Schilddrüsenhormone oder blutverdünnende Substanzen

Früherkennung entscheidend

Im Zentrum der klinischen Beschwerden der Patienten stehen die osteoporotischen Knochenbrüche und die durch die Fraktur ausgelösten akuten und chronischen Schmerzen. Oft genügt ein sehr geringes Trauma, um eine Fraktur auszulösen. Die häufigsten Frakturen treten dabei an der Wirbelsäule, am Schenkelhals und am Unterarm auf. Während bei Handgelenks- und Schenkelhalsbrüchen so gut wie immer ein Sturz vorausgeht, muß das bei Brüchen im Bereich der Wirbelsäule nicht der Fall sein. Hier treten oft sogenannte „Mikrofrakturen“ ein, die nach und nach zu einer Verformung der Wirbelkörper und dadurch bedingten Rückenschmerzen führen.

Neben den chronischen Rückenschmerzen sollten folgende Zeichen an das Vorliegen einer Osteoporose denken lassen:
  • Ausbildung eines Rundrückens
  • Abnahme der Körpergröße um mehr als 4 cm (bis 20 cm möglich)
  • Direkter Kontakt der Rippen mit dem Beckenkamm (normalerweise mindestens 2 Querfinger Abstand)
  • Stärkste Schmerzen bei Auftreten von akuten Wirbelfrakturen mit Ausstrahlung in Brust- und Bauchraum

Genaue Diagnostik erforderlich

Neben einer gründlichen körperlichen Untersuchung, der Erhebung von Vorgeschichte und Risikofaktoren sollten routinemäßig Röntgen der Brust- und Lendenwirbelsäule angefertigt werden. Sie dienen der Objektivierung von bereits eingetretenen Frakturen oder anderen pathologischen Veränderungen wie Abnützungen, Fehlstellungen oder Schäden an den Bandscheiben, die natürlich auch Rückenschmerzen auslösen.

Entscheidend ist bei Verdacht auf Osteoporose eine Knochendichtemessung! Mit dieser Untersuchung können der Knochenmineralgehalt und die Knochenmasse präzise ermittelt werden. Mehrere Methoden stehen derzeit zur Verfügung, wobei neben der DXA-Methode, einem Strahlenabsorptionsverfahren an Wirbelsäule und Schenkelhals, auch die quantitative Computertomographie im Bereich der Wirbelsäule oder am Handgelenk Verwendung finden.

Grundsätzlich sollten Wiederholungsmessungen immer am gleichen Gerät durchgeführt werden. Damit erhöht sich die Genauigkeit der Ergebnisse bei Verlaufskontrollen. Eine Knochendichtemessung ist sinnvoll bei Frauen ab dem 60. und Männern ab dem 70. Lebensjahr, bei Vorliegen von Risikofaktoren oder Begleiterkrankungen durchaus früher.

Auch eine gründliche Blut- und Harnuntersuchung sind bei Osteoporoseverdacht absolut notwendig. Damit kann der Experte die Schnelligkeit des Knochenabbaus feststellen und gleichzeitig eine Reihe von Stoffwechselstörungen oder anderen Knochenerkrankungen ausschließen, die alle das Entstehen einer Osteoporose begünstigen. Kalzium, Phosphor und alkalische Phosphatase, Vitamin D Spiegel, Parathormon, Geschlechtshormone, Schilddrüsenwerte werden wie auch die Umbaumarker Osteokalzin und Pyridinoline-Cross-Links routinemäßig bestimmt. Der 24-Stunden-Harn wird ergänzend auf Kalzium und Eiweiß untersucht.

Therapeutische Grundlagen

Um den Knochenschwund zu verhindern steht heutzutage eine Fülle von wirkungsvollen Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.

Grundsätzlich ist für jeden Menschen eine kalziumreiche Ernährung entscheidend. Kalzium kommt in großen Mengen in Milch und Milchprodukten (Joghurt, Buttermilch, Käse) vor, wobei auch fettarme Milchprodukte konsumiert werden können. Weiters sind Salate und Gemüse (Fenchel, Broccoli, Hülsenfrüchte, Nüsse) sowie Vollkornprodukte kalziumreich. Entscheidend ist aber die Deckung des Kalziumbedarfes mit Milchprodukten. Sie stellen nicht nur mengenmäßig die besten Kalziumlieferanten dar, Kalzium wird aus diesen Produkten auch wesentlich besser resorbiert als aus pflanzlichen Lebensmitteln. Der Tagesbedarf liegt zwischen 800 und 1200 mg Kalzium. Bei einer Unverträglichkeit von süßen Milchprodukten (Lactoseintoleranz) sollte man auf Sauermilchprodukte wie Buttermilch, Kefir, Joghurt und Käse ausweichen. Auch Mineralwässer mit Kalziumgehalt von über 150 mg pro Liter sind zu empfehlen.

Der reichliche Aufenthalt an der frischen Luft und eine gelegentliche mäßige Sonnenbestrahlung der Haut sind ebenfalls anzuraten, da dadurch die Bildung von Vitamin D gefördert wird. Vitamin D wiederum ist für die Aufnahme des Kalziums aus der Nahrung in den Knochen äußerst wichtig. In der Nahrung kommt Vitamin D in Seefischen, Eigelb, Margarine und Milchprodukten vor.

Generell sind reichlich Bewegung, eine allgemeine Muskelstärkung und eine Gymnastik der Wirbelsäule anzuraten. Gerade in der Jugend ist eine regelmäßige sportliche Betätigung für den Aufbau einer guten maximalen Knochendichte entscheidend. Im Alter kann dann durch Bewegung ein schneller Verlust von Knochenmasse vermieden werden. Bei älteren Menschen beugen Übungen für ein besseres Gleichgewicht Stürzen vor.

Neue Medikamente

Ist die Osteoporose bereist manifest oder Knochenbrüche eingetreten, kommen spezifische medikamentöse Behandlungen zum Einsatz. Eine ausreichende Versorgung mit Calcium oral (zusätzlich 500 bis 1000 mg Calcium pro Tag) und Vitamin D3 (400 bis 1000 Einheiten pro Tag) ist Grundlage jeder medikamentösen Osteoporosetherapie. Die alleinige Behandlung einer manifesten Osteoporose mit Calcium und Vitamin D, entsprechender Ernährung oder Bewegung ist nicht genug.

Dafür steht eine breite Palette von wirkungsvollen Substanzen zur Verfügung:

Bisphosphonate

Diese Medikamentengruppe ist die derzeit am häufigsten eingesetzte Therapie und ist für die Behandlung der postmenopausalen, der glucocorticoidinduzierten und der Osteoporose des Mannes indiziert. Sie hemmen die Osteoklastenaktivität und wirken antiresorptiv. In Österreich stehen drei peroral verabreichte Präparate zur Verfügung:
Alendronat (Fosamax®): 10 mg täglich oder 70 mg 1x / Woche oral
Risedronat (Actonel®): 5 mg täglich oder 35 mg 1x / Woche oral
Etidronat (Didronel®): 400 mg täglich über 2 Wochen, dann 11 Wochen Pause

Die Einnahmevorschriften (morgens nüchtern mit viel Leitungswasser 30 Minuten vor dem Frühstück) sind exakt zu befolgen, da die Medikamente sonst wirkungslos sind. Wer damit Schwierigkeiten hat, kann alternativ auf Infusionen umsteigen: Pamidronat (Pamitor®, Aredia®) wird alle drei Monate als Infusion mit 30mg verabreicht. Ibandronat (Bonviva® 3mg) wird vierteljährlich kurz intravenös gegeben. Zolendronat (Aclasta®, Zometa®) muß nur einmal pro Jahr intravenös injiziert werden, ist für die Therapie der Osteoporose offiziell aber noch nicht zugelassen.

Serms (Selektive Östrogen-Rezeptor-Modulatoren)

Sie wirken am Knochen Östrogen-agonistische und antiresorptiv, am Brustdrüsengewebe und Endometrium dagegen Östrogen-antagonistisch und sind daher nicht mit einem erhöhten Risiko von Karzinomen im gynäkölogischen Bereich verbunden. Zugelassen bei der postmenopausalen Osteoporose.
Raloxifen (Evista®): 60 mg täglich oral

Parathormon-Analoga

Parathormon stimuliert die Osteoblasten und damit die Knochenneubildung. Die intermittierende PTH Gabe führt nicht nur zu einer Vermehrung der Knochenmasse sondern auch zu einer verbesserten Mikroarchitektur des Knochens. Zugelassen für die postmenopausale Osteoporose bei sehr hohem Frakturrisiko oder wenn antiresorptive Therapien ineffektiv waren.
Teriparatide 1-34 PTH(Forsteo®): 20 µg subcutan täglich für maximal 18 Monate
1-84 PTH(Preotact®): 100 µg subcutan täglich für maximal 24 Monate
Im Anschluss an eine solche Behandlung ist eine antiresorptive Therapie für mindestens weitere zwei Jahre anzuschliessen.

Strontium

Strontium-Ranelat (Protelos®) fördert die Knochenneubildung und hemmt die Osteoklasten, greift also auf zwei Ebenen an. 2 Gramm Strontium-Ranelat täglich oral.
Frakturen werden mit dieser Therapie erfolgreich vermindert. Besonders gute Daten gibt es bezüglich einer signifikanten Reduzierung von Schenkelhalsbrüchen.

Hormonersatztherapie (HRT)

Die HRT (Östrogene als Monotherapie oder Kombination Östrogene und Gestagene) soll das postmenopausale Hormondefizit und den damit gesteigerten Knochenabbau hemmen. Bezüglich Knochenmineraldichte und Frakturrisiko liegen positive Daten vor. Zu berücksichtigen ist die erhöhte Inzidenz von Tumoren im gynäkologischen Bereich.
Deshalb wird die Gabe von Hormonen zur Osteoporosetherapie heute sehr kritisch gesehen. Zahlreiche Darreichungsformen wie orale Präparate, Hautpflaster und Depots stehen zur Verfügung.
Besonders wirksam scheint eine Kombination von 2 mg 17β-Östradiol mit 1 mg Norethisteronacetat zu sein.

Calcitonin

Dieses Hormon reguliert den Kalziumspiegel, hemmt die Osteoklasten und stimuliert gleichzeitig die Osteoblasten. Die Wirkung auf die Frakturrate ist aber eher gering. Dafür hat Calcitonin eine schmerzstillende Wirkung und wird gerne bei akuten Knochenbrüchen als Zusatztherapie eingesetzt.
Lachscalcitonin nasal (Calcitonin Novartis® Nasalspray 100 I.E.): 2 Hübe tgl. zu 100 I.E.
Lachscalcitonin sc./im. (Calcitonin Novartis® 50 und 100 I.E. Amp., Ucecal® 50 und 100 I.E. Amp.): 100 I.E. sc. oder im. täglich

Therapiealternativen mit eingeschränkter Relevanz:

Fluoride

Sie stimulieren die Osteoblasten und erhöhen die Knochenmasse, fördern leider aber gleichzeitig eine gestörte Mikroarchitektur des Knochens. Ihr Einfluß auf die Frakturrate ist daher eher eingeschränkt.
Na-Monofluorphosphat (Fluocalcic®): 2 mal 1 Beutel täglich zu 100 mg
Na-Fluorid (Ossiplex ret.®): 2 mal 1 Dragee täglich zu 25 mg

Steroidderivate

Tibolon (Liviel®) ist ein synthetisches Steroid mit möglich positivem Effekt auf die Knochendichte von Wirbelsäule und Schenkelhals durch seine östrogene, progestagene und androgene Wirkung. Ist nur zur Prävention und nicht zur Therapie der Osteoporose zugelassen. Einnahme: 1 Tablette zu 2,5 mg täglich.
Anabolen Steroiden werden positive Effekte auf die Knochendichte nachgesagt, die Daten zur Frakturreduktion sind aber unklar.
Nandrolondecanoat (Deca-Durabolin® Amp.): 50 mg im. alle 3 Wochen

Die Osteoporose ist ein großes Problem in unserer Gesellschaft. Alte Menschen werden durch Knochenbrüche zunehmend unbeweglich und damit auch sozial isoliert.
Dank ausgezeichneter diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten kann diese Erkrankung jedoch oft verhindert werden.