Dr. med. Thomas Schwingenschlögl
Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, Ernährungsmediziner
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Diabetes mellitus

Weltweit leiden derzeit wahrscheinlich ca. 150 Millionen Menschen an Diabetes, allein in Österreich rund eine halbe Million. Die Anzahl der Betroffenen hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen, wobei auch immer mehr jüngere Menschen betroffen sind. Die Verbreitung der Zuckerkrankheit hat bereits ein solches Ausmaß erreicht, dass man von einer globalen Epidemie sprechen kann.
Bestehen erhöhte Blutzuckerwerte über längere Zeit, kommt es zu schwerwiegenden Veränderungen an unseren Blutgefäßen. Deshalb sind die Früherkennung und Prävention als auch das rechtzeitige Einleiten von Therapiemaßnahmen wichtige Schritte zur Erhaltung unserer Gesundheit.

Was ist Diabetes?

Die Zuckerkrankheit beim Erwachsenen ist eine chronische Stoffwechselstörung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Diabetiker seinen Blutzucker nicht im normalen Bereich halten kann. Kohlenhydrate aus der Nahrung, welche reichlich in Getreide und Getreideprodukten, Teigwaren, Kartoffeln, Reis, Obst und Süßspeisen enthalten sind, werden im Darm zu Zucker (Traubenzucker = Glucose) abgebaut, dieser in das Blut aufgenommen und zu den Körperzellen gebracht. Traubenzucker ist der wesentliche Energieträger für unsere Zellen, wobei Muskel- und Fettzellen den meisten Zucker aufnehmen. Die Höhe des Blutzuckerspiegels wird unter anderem durch das Hormon Insulin reguliert, welches von der Bauchspeicheldrüse gebildet wird. Die Hauptwirkung von Insulin liegt darin, dass es dem Zucker den Weg in die Zellen des Körpers eröffnet, ähnlich wie der Schlüssel das Schloss einer Türe öffnet. Versagt dieser Mechanismus, kommt es zu hohem Blutzuckerspiegel.

Zwei unterschiedliche Diabetestypen

Typ-I–Diabetes

Weist von Anfang an einen echten Insulinmangel auf. Diese Form zeigt sich oft bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen und ist auf eine Entzündung in der Bauchspeicheldrüse mit Zerstörung der insulinbildenden Beta-Zellen zurückzuführen. Von dieser Form von Diabetes ist weltweit aber nur ein geringer Prozentsatz der Zuckerkranken betroffen.

Typ-II-Diabetes

Diese Form ist durch einen relativen Insulinmangel und vor allem durch eine Beeinträchtigung der Insulinwirkung an den Zellen (Insulinresistenz) gekennzeichnet. Typ-II-Diabetes zeigt sich meist erst ab dem vierzigsten Lebensjahr und ist häufig erblich bedingt. Zum Ausbruch der Erkrankung führt aber die fast immer falsche Ernährung und Übergewicht. Dadurch wird die Wirkung des Insulins auf Muskelzellen und Fettgewebe blockiert, der Blutzucker kann von den Zellen nicht mehr aufgenommen werden. Folglich versucht die Bauchspeicheldrüse die erhöhten Blutzuckerspiegel mit einer vermehrten Ausschüttung von Insulin zu kompensieren. Dieser Mechanismus funktioniert eine Zeitlang, schlussendlich bricht die Bauchspeicheldrüse unter der ständigen Mehrbelastung aber zusammen.
Da dieser Schutzmechanismus oft einige Jahre funktioniert, bedeutet dies gleichzeitig, dass bei Probemessungen normale Blutzuckerwerte aufscheinen, obwohl in Wirklichkeit bereits eine Stoffwechselstörung vorliegt. Diese Tatsache erhält umso mehr Brisanz, als zum Zeitpunkt der Diabetesmanifestation bereits jeder zweite Patient Gefäßschäden durch den Zucker aufweist. Dies ist nur durch eine frühzeitige Diagnose und das rechtzeitige Einleiten von therapeutischen Maßnahmen zu verhindern.

Übergewicht macht krank

Übergewicht ist keinesfalls nur eine Zahl auf der Waage oder ein kosmetischer Störfaktor. Vielmehr ist ein hohes Körpergewicht oft der Auslöser für eine Reihe von Folgeerkrankungen wie hoher Blutdruck, Fettstoffwechselstörungen und speziell Zuckerkrankheit. Viele Studien haben gezeigt, dass bis zu 80 % aller Typ-II Diabetiker übergewichtig sind. Bewegungsmangel, Überernährung und das Alter korrelieren direkt mit der Insulinresistenz, die nach Jahren zur Manifestation von Diabetes mellitus führt. Man weiß aber gleichzeitig, dass eine Veränderung der Lebensgewohnheiten mit Gewichtsreduktion und regelmäßiger körperlicher Aktivität den Ausbruch der Erkrankung oft verhindern kann.

Jeder Mensch hat Zucker im Blut

Entgegen der weitverbreiteten Meinung, dass nur Diabetiker Zucker im Blut haben, ist festzustellen, dass bei allen Menschen Kohlenhydrate wie Stärke und Haushaltszucker im Darm zu Traubenzucker abgebaut und über das Blut zu den Körperzellen weitertransportiert werden. Beim Gesunden liegt der Blutzucker nüchtern zwischen 60 und 110 mg / dl. Zwei Stunden nach einer Mahlzeit sollte der Blutzucker 140 mg/dl nicht übersteigen. Beim Diabetiker liegen diese Werte ohne Behandlung meist wesentlich höher. Blutzuckerspiegel ab 126 mg / dl gelten als diagnostisch.
Bei Nüchtern-BZ -Werten zwischen 110 und 126 mg / dl sollte ein Zuckerbelastungstest durchgeführt werden. Dabei erhält der Betroffene eine standardisierte Menge einer zuckerhaltigen Lösung. Durch wiederholte Messungen nach dem Trinken dieser Lösung wird festgestellt, ob der Körper den zugeführten Zucker genügend rasch neutralisieren kann.
Doch viele Österreicher kennen ihre Blutzuckerwerte nicht, da nie gemessen wurde. Deshalb sollte bei jedem ab dem 35. Lebensjahr einmal jährlich eine Blutzuckermessung erfolgen, bei familiärer Belastung schon früher.

Frühe Diagnose entscheidend

Das besonders Tückische an der Zuckerkrankheit liegt daran, dass man den erhöhten Blutzucker selbst lange Zeit nicht bemerkt. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung leidet aber bereits jeder zweite Patient an Folgeschäden an den Blutgefäßen. Deswegen sollte man bei folgenden Symptomen aufmerksam werden und einen Arzt konsultieren:

Bei solchen Anzeichen sollten Sie unverzüglich eine BZ-Messung durchführen lassen. Zur Diagnose kann auch der Harnzucker herangezogen werden, welcher aber beim Gesunden stets negativ sein muss. Sollte zwei Stunden nach einer Hauptmahlzeit im Harn Zucker festgestellt werden, muss unverzüglich weiter abgeklärt werden. Blut- und Harnzucker sind einfache Messmethoden zur Selbstkontrolle bei Diabetes. Daneben gibt es einen Wert, der die durchschnittliche Zuckerlage in den letzten vier Wochen wiederspiegelt, den HbA1c Wert. Dieser Langzeitwert sollte beim Diabetiker weniger als 7,0 %, idealerweise weniger als 6,5 % sein.

Gefährliche Folgeschäden

Erhöhte Blutzuckerwerte beeinträchtigen meist keineswegs unser Wohlbefinden. Die meisten Betroffenen wähnen sich daher irrtümlicherweise gesund. Wären da nicht die fatalen Folgeschäden, die erhöhte Blutzuckerwerte verursachen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann folgende Begleiterkrankungen auftreten:
Doch all dies lässt sich durch eine Früherkennung und rechtzeitige Therapie erfolgreich verhindern.

Rechtzeitige Therapie

Beim jugendlichen Typ-I Diabetiker besteht von Anfang an ein absoluter Insulinmangel. Dieser Patient muß mehrmals täglich Insulin spritzen. Die Zufuhr von Zucker wird in Form von Broteinheiten streng gerechnet und geregelt.
Beim meist übergewichtigen Typ-II Diabetiker liegt aber anfänglich meist nur eine Blockierung des noch genügend vorhandenen Insulins vor. Durch Gewichtsreduktion, zuckerfreie Kost und Bewegung lässt sich diese Blockierung in vielen Fällen wieder aufheben. Deshalb nimmt die Änderung der Lebensgewohnheiten einen zentralen Stellenwert in der Diabetestherapie ein. Eine kalorienreduzierte Mischkost, reich an komplexen Kohlenhydraten und Ballaststoffen mit wenig Fett und Zucker ist angesagt. Reichlich Gemüse und Salate in Verbindung mit Brot und Getreideprodukten, Kartoffeln, Reis und Teigwaren sowie fettarmen Milchprodukten und magerem Fleisch liefern ausreichend Nährstoffe und machen auch satt.

Tipp 1: Fett macht fett

Fett hat den höchsten Energiegehalt, aber leider die schwächste Sättigungswirkung. Fett scheint daher ein wesentlicher Nahrungsfaktor für Übergewicht zu sein. Die wichtigsten Fettquellen sind anhand von Studien die versteckten Fette in Wurst- und Fleischwaren, Fleisch und fetten Milchprodukten. Aber auch viele Backwaren und Süßigkeiten bieten die beliebte Kombination „süß und fett“ und können einiges an versteckten Fetten liefern.

Tipp 2: Zucker absolut meiden

Haushalts- und Fruchtzucker treten äußerst rasch ins Blut über und sorgen für hohe Blutzuckerspitzen.

Tipp 3: Ausreichende Flüssigkeitszufuhr

Diabetiker sollten mindestens 1,5 bis 2 l Flüssigkeit pro Tag zu sich nehmen, im Sommer oder bei körperlicher Betätigung weit mehr. Leitungswasser, Mineralwasser oder ungezuckerter Tee, frisch gepresste Frucht- und Gemüsesäfte ohne Zuckerzusatz sind zu bevorzugen.
Vermeiden Sie Alkohol. Denn alkoholische Getränke sind nach Fett die kalorienreichsten Lebensmittel und enthalten keinerlei wichtige Inhaltsstoffe. Alkohol führt außerdem zu erheblichen Schwankungen des Blutzuckerspiegels.

Tipp 4: Bewegung muss sein

Bewegungs- und Fitnesstraining sowie gezielte sportliche Betätigungen helfen Ihnen beim Abnehmen ganz erheblich, speziell in Kombination mit einer energiereduzierten Mischkost. Zugleich führt regelmäßige Bewegung zu einer deutlichen Senkung der Blutzuckerwerte.
Schon 150 Minuten körperliche Aktivität pro Woche in Kombination mit richtiger Ernährung reichen aus, um das Risiko an Diabetes zu erkranken signifikant zu senken. Ausdauersportarten wie Schwimmen, Radfahren, Wandern, Walking, Jogging, Gymnastik und Tanzen sind besonders geeignete Sportarten. Wer mit einem Trainingsprogramm beginnt, sollte vorher unbedingt einen Arzt aufsuchen um seinen Körper durchchecken zu lassen. Das Trainingsprogramm sollte natürlich möglichst effektiv sein, aber zugleich auch Spaß machen.

Erst wenn durch alle diese diätetischen Maßnahmen der Blutzucker nicht in den normalen Bereich gesenkt werden kann, ist eine medikamentöse Therapie angezeigt. Hierfür stehen heutzutage eine große Auswahl von Medikamenten zur Verfügung. So gibt es Substanzen, welche die Insulinausschüttung aus der Bauchspeicheldrüse stimulieren. Andere senken die Insulinresistenz und hemmen die körpereigene Zuckerproduktion in der Leber. Und wieder andere verbessern deutlich die Insulinsensitivität an den Muskelzellen. Besondere Bedeutung wird auch dem frühen Einsatz von Insulin beigemessen. Von den meisten Patienten sehr gefürchtet, ist der rechtzeitige Einsatz von Insulin zu empfehlen, wenn der HbA1c-Wert auf über 8 % ansteigt. Die Konsultation eines Spezialisten ist in diesem Falle aber unerlässlich.

Regelmäßige Kontrollen notwendig

Neben der Früherkennung und dem rechtzeitigen Einsatz von therapeutischen Maßnahmen möchte ich nochmals auf die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient hinweisen. Nur durch eine genaue Aufzeichnung von Blutzucker- und Harnzuckermessungen, die der Patient zur Selbstkontrolle leicht zu Hause durchführen kann, erhält der Arzt einen brauchbaren Überblick über die aktuelle Stoffwechselsituation. Alle drei Monate sollte routinemäßig bei Diabetikern auch der Langzeitwert, der HbA1c-Wert, getestet werden.

Weiters sollte in regelmäßigen Abständen auf das Vorliegen von Folgeerkrankungen oder das gleichzeitige Bestehen von anderen Risikofaktoren für Herz und Kreislauf untersucht werden:
Doch eigentlich sollte es gar nicht so weit kommen. Bewusster leben hält den Diabetes an. Ein Großteil der Diabetiker können nämlich durch richtige Ernährung, Bewegung und Sport den Ausbruch der Erkrankung und damit das Auftreten von Folgeschäden erfolgreich verhindern.