Wenn der Darm streikt
Ein gesunder Darm ist Voraussetzung für eine gut funktionierende Verdauung und für Ihr Wohlbefinden. In erster Linie dient der Magen-Darmkanal natürlich der Verdauung. Die von uns aufgenommenen Nahrungsmittel werden schrittweise zerkleinert. Die schlussendlich freigesetzten Nährstoffe wie Zucker, Fett- oder Aminosäuren werden über die Darmwand in das Blut aufgenommen und als Energielieferanten zu den einzelnen Zellen unseres Körpers transportiert. Darüber hinaus stellt die Darmschleimhaut das größte Abwehrorgan unseres Körpers dar. Störungen können sich demnach elementar auf unsere Gesundheit auswirken.
Neben organischen Erkrankungen wie chronischen Darmentzündungen, Divertikeln oder Pilzinfektionen spielen vor allem funktionelle Darmerkrankungen wie der Reizdarm oder die chronische Verstopfung in den westlichen Industrienationen eine große Rolle.
Die gesunde Darmflora ist eine wesentliche Voraussetzung für einen gesunden Darm. Ist die Darmflora in ihrer Zusammensetzung und Funktion gestört, können vielfältige Krankheitserscheinungen auftreten wie z. B. Durchfall, Stuhlverstopfung, das Reizdarm-Syndrom oder chronische Darmentzündungen.
Was ist die Darmflora?
Der Magen-Darmtrakt ist besiedelt von einer unvorstellbar großen Zahl von Kleinstlebewesen (Mikroorganismen). Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Bakterien. Die meisten Bakterien finden sich dabei im Dickdarm. Zusammengefasst werden diese Keime als Darmflora bezeichnet. Wenn man sich nun vorstellt, dass die Oberfläche des Magen-Darmtraktes mit etwa 200 m² so groß wie ein ganzes Tennisfeld ist, kann man verstehen, dass Störungen dieser Darmflora zu negativen Einflüssen auf unsere Verdauung und unser Abwehrsystem führen können.
Das Reizdarmsyndrom
Der Reizdarm (Colon irritabile) ist die häufigste Erkrankung des Darmes. Etwa 15 % der erwachsenen Bevölkerung leiden unter dieser Erkrankung. Im mittleren Lebensalter sind besonders Frauen betroffen.
Der Reizdarm ist eine funktionelle Störung der Transportmechanismen im Darmtrakt ohne fassbare organische Veränderungen. Folgende Beschwerden sind typisch:
- Dumpfe oder kolikartige Schmerzen, die oft nur sehr schwer lokalisierbar sind und den gesamten Bauch betreffen können
- Stark wechselnde Stuhlkonsistenz mit Episoden von Durchfall und Verstopfung
- Häufige Darmentleerungen mit kleiner Stuhlmenge
- Völlegefühl, verstärkte Blähungen
- Unverträglichkeit diverser Nahrungsmittel
- Gefühl der unvollständigen Darmentleerung sowie eines aufgetriebenen Bauches
- Schleimauflagerungen am Stuhl
Da jedoch alle geschilderten Symptome auch bei Darmentzündungen oder Tumoren auftreten können, muss natürlich in jedem Fall mittels einer genauen Diagnostik eine andere Ursache ausgeschlossen werden. Laboruntersuchungen, Kontrastmittelröntgen des Darmes, endoskopische Untersuchungen wie die Magen- oder Darmspiegelung, Ultraschall der Oberbauchorgane sowie Tests über die Leistungsfähigkeit des Verdauungssystems sind hierzu erforderlich.
Therapie des Reizdarmes
Die Therapie des Reizdarmes ist grundsätzlich sehr komplex. Die Ernährung sollte individuell gestaltet werden. Lebensmittel, welche die Symptomatik auslösen oder verstärken (vor allem Kaffee, rohes Obst, gebratene Speisen, alkoholische Getränke und Milch), sollten gemieden werden. Bei gleichzeitiger Verstopfung kann die Gabe von Weizenkleie oder Leinsamen als Ballaststoffträger erfolgen, wobei unbedingt auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten ist.
Entspannende Bauchmassagen und Ausstreichen des Darmes fördern oftmals die Darmmobilität. Bei Stress im Alltag können Entspannungsübungen wie Autogenes Training, Joga, Qi Gong oder Tai Chi die Beschwerden oft erheblich mildern. Medikamente wie Abführmittel oder stopfende Substanzen sollten auf jeden Fall gemieden werden, da rasch Gewöhnungseffekte eintreten und die Darmflora in ihrem Gleichgewicht noch mehr geschädigt wird. Die Zufuhr von natürlichen Darmorganismen in Kapselform oder seit einiger Zeit auch in diversen Milchprodukten angereichert, führt häufig zu einer Verbesserung der Beschwerdesymptomatik.
Akupunktur und Akupressur können durch eine Wiederherstellung des Energiegleichgewichtes die Darmfunktion regulieren und eignen sich hervorragend für die Behandlung des Reizdarmsyndroms. Aber auch Ausdauersportarten wie Laufen oder Radfahren haben einen äußerst positiven Einfluss auf unsere Verdauung und beseitigen oft lästige Blähungen.
Chronische Verstopfung
Die in westlichen Industrieländern häufige Verstopfung (Obstipation) beruht ebenfalls auf einer Funktionsstörung des Darmes. Schätzungsweise leiden 20 % der Bevölkerung an Episoden von Verstopfung. Etwa 2 – 5 % nehmen regelmäßig Abführmittel ein. Die Veränderungen der Stuhlgewohnheiten sind zum Teil von erheblichen Missempfindungen wie Völlegefühl, verstärkte Blähungen, Bauchschmerzen und allgemeiner Leistungsschwäche begleitet. Der Patient hat das Gefühl, dass die Stuhlentleerung nur durch heftiges Pressen möglich ist. Ebenso wird von unvollständigen Darmentleerungen berichtet.
Bei vielen Menschen besteht eine übertriebene Angst vor vermeintlicher Selbstvergiftung durch fehlenden Stuhlgang, weshalb eine tägliche Darmentleerung erzwungen wird. Dabei ist anzumerken, daß Stuhlfrequenzen zwischen drei pro Tag und einer alle drei Tage als normal gelten.
Die Hauptsache für die chronische Verstopfung ist in einer tiefgreifenden Ernährungsumstellung zu sehen. Seit den dreißiger Jahren geht der Verzehr von komplexen Kohlenhydraten wie Getreideprodukten, Reis, Kartoffeln, Hülsenfrüchten und Ballaststoffen zugunsten von Fetten, Eiweiß und einfachen Kohlenhydraten wie Zucker zurück. Gerade aber die ballaststoff- und stärkereiche Kost hat eine natürliche abführende Wirkung. In vielen Fällen spielen auch eine unzureichende Flüssigkeitsaufnahme oder gerade bei älteren Menschen medikamentöse Nebenwirkungen eine Rolle bei der Auslösung der Verstopfung.
Die Obstipation zählt ebenfalls zu den funktionellen Darmstörungen ohne wesentliche organische Veränderungen. Wie schon beim Reizdarm muss auch hier entsprechend abgeklärt werden.
Ernährungsempfehlungen:
Ballaststoffreiche Kost (mindestens 30 g Ballaststoffe pro Tag) mit hohem Anteil an Vollgetreide, Gemüse und Salat ist empfohlen. Die Steigerung des Ballaststoffanteils der Kost sollte schrittweise erfolgen, um unerwünschte Nebenwirkungen wie Blähungen und Völlegefühl zu vermeiden. Diese Symptome bestehen oft nur vorübergehend. Auf eine gleichzeitig ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist zu achten. Sollte eine Ernährungsumstellung nicht durchführbar sein, können Ballaststoffe wie Milchzucker und Weizenkleie als Zusatzpräparate verabreicht werden. Ein bestehender Missbrauch von Abführmittel sollte schrittweise reduziert werden.
Auch bei der chronischen Verstopfung ist die Akupunktur eine ausgezeichnete therapeutische Maßnahme, die in Kombination mit der Chinesischen Kräutermedizin, Massagen und Entspannungstechniken den Stuhlgang reguliert.
Übertriebene Angst vor Pilzen
Besonders die Besiedlung des Darmes mit Candida wird zu einem ernsten Problem hochgespielt. So ist Candida ein normaler Bestandteil der Darmflora und kann sowohl in Stuhlkulturen als auch in Bluttests mit einer gewissen Konzentration festgestellt werden. Eine Vielzahl von Symptomen wie übler Mundgeschmack, Zungenbelag und Zungenbrennen, Blähungen, Verdauungsstörungen mit Völlegefühl und aufgetriebenem Bauch, Durchfall mit stinkenden Stühlen bis hin zu allgemeiner Müdigkeit, Abgeschlagenheit und unerklärlicher Gewichtszunahme werden mit den „gefürchteten Pilzinfektionen“ in Verbindung gebracht.
Doch in Wirklichkeit ist die Konzetration dieser natürlich vorkommenden Pilze in keinster Weise erhöht, und die Beschwerden sind wiederum auf funktionelle Darmstörungen zurückzuführen.
Natürlich gibt es auch eine echte Übersiedelung des Darmes mit Pilzen (intestinale Candidamykose). Diese kann häufig durch eine vorhergehende Antibiotikatherapie oder bei Patienten mit einer generellen Abwehrschwäche entstehen. Durchfälle und Ekzeme im Afterbereich sind das Hauptmerkmal. Stuhlkulturen und Bluttests zeigen hierbei die Sprosspilze in deutlich erhöhten Konzentrationen. Ein solcher Befund muss natürlich mit entsprechenden Medikamenten behandelt werden.
Chronische Darmentzündungen und Divertikel
Darmentzündungen wie die Colitis ulcerosa oder der Morbus Crohn, aber auch ein massiver Befall des Dickdarmes mit Divertikeln (Schleimhautausstülpungen der Darmwand) führen häufig zu Beschwerden, die jenen der funktionellen Darmstörungen ähnlich sind. Allgemeinsymtome wie Fieber, Leistungsabfall, Müdigkeit, Appetit- und Gewichtsverlust, unregelmäßiger Stuhlgang mit Episoden von Durchfall, Beimengungen von Blut und Schleim im Stuhl, krampfartige oder dumpfe Bauchschmerzen treten häufig auf.
Entzündliche Darmerkrankungen stellen ein ernstes gesundheitliches Problem dar. Im Gegensatz zu den vorher genannten Erkrankungen wie Reizdarm und chronische Verstopfung liegen hier oft schwerwiegende organische Veränderungen vor. Neben der Verordnung von speziellen Diäten müssen meist entzündungshemmende Medikamente verabreicht werden.
Insgesamt wird die Bedeutung des Darmes im Vergleich zu anderen Organen wie Herz oder Niere noch immer unterschätzt. Zunehmend wird aber die Erkenntnis gewonnen, daß ein nicht richtig funktionierender Darm krank macht. Deswegen sollten Verdauungsstörungen, speziell dann, wenn sie längere Zeit bestehen, ernst genommen werden.